Interview mit Achim Dürschmid – EURES-Berater bei der Agentur für Arbeit Saarland

Das Bild zeigt drei europäische Flaggen, welche repräsentieren, dass Achim Dürschmid Europa-Berater ist.

Im Rahmen unserer Serie „La parole est à vous – Sie haben das Wort“ spricht EuroRekruter mit Menschen, die im deutsch-französischen Kontext aktiv sind. In dieser Ausgabe berichtet Achim Dürschmid, EURES-Berater bei der Agentur für Arbeit Saarland und Experte für den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt, von seiner persönlichen Affinität zu unserem Nachbarland und seinen beruflichen Einblicken im deutsch-französischen Kontext.

1. Sie sind beruflich im deutsch-französischen Bereich tätig. Können Sie sich und Ihre Arbeit kurz vorstellen?

Ich bin Europa-Berater, sog. EURES-Berater bei der Agentur für Arbeit Saarland, und helfe Arbeitsuchenden und Arbeitgebern bei der grenzüberschreitenden, europaweiten Bewerbung bzw. Personalgewinnung. Außerdem berate ich zu Grenzgängerthemen, die sich aus der beruflichen Grenzüberschreitung und Mobilität ergeben. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Hochschularbeit in der Großregion SaarLorLux, das heißt wir bereiten Absolventen und Studierende auf die Arbeitsmärkte der Großregion vor, zeigen Perspektiven auf, um hierzubleiben und im deutsch-französisch-luxemburgischen Kontext zu arbeiten. Auch gilt es insbesondere, den saarländischen Arbeitsmarkt für Nachwuchskräfte attraktiv zu machen, um sie in unserer Region zu halten, die eine Vielzahl an internationalen, innovativen Arbeitgebern und Netzwerken bietet.

2. Woher kommt Ihr Interesse für deutsch-französische Themen?

Ich bin im Saarland groß geworden, habe immer die Nähe zu Frankreich und Luxemburg genossen, gute Französisch-Lehrer/innen gehabt und war früh mit Freunden und Freundinnen in Frankreich verbandelt, daher war für mich die französische Mentalität eigentlich immer näher und interessanter als die deutsche. Später habe ich mir das dann im Studium und Beruf zunutze gemacht und bin heute froh, dass ich die deutsch-französische und europäische Mobilität auf den Arbeitsmärkten unterstützen und einen Beitrag zur Überwindung der interkulturellen Unterschiede leisten kann. Wie ein Übersetzer, ein Vermittler zwischen den Ländern und Kulturen, aber halt sehr konkret, damit junge Leute gute Jobs finden, sich in Deutschland oder Frankreich verwirklichen können, obwohl die Unterschiede zwischen unseren beiden Ländern manchmal so groß und unüberwindlich erscheinen. Stichworte: Ausbildungssysteme, Sprachen, Energiewende… Und da kann die Grenzregion, z.B. Straßburg, Metz, Luxemburg oder Saarbrücken, häufig viel interessanter und vielfältiger sein als Berlin oder Paris.

3. In Ihrer Position als EURES-Berater stehen Sie in ständigem Kontakt mit deutschen und französischen Unternehmen und Bewerbern. Was hat Sie dazu motiviert, in diesem Bereich aktiv zu werden und was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten?

Viele einheimische und internationale Absolvent/innen bzw. Bewerber/innen wissen nicht, wie interessant und vielfältig die Karrieremöglichkeiten in einem Radius von 100 km rund um Saarbrücken sind. Das liegt zum Teil daran, dass sich unsere Arbeitsmärkte und Regionen noch etwas schwer tun mit dem eigenen Selbstverständnis und auch kein gutes Absolventenmarketing haben. Wenn man sich dann damit genauer beschäftigt und informiert, sieht man sehr schnell, dass es tolle Jobs gibt, nicht nur in innovativen, zukunftszugewandten Branchen, wie Medien, IT, Materialwissenschaften oder Raumfahrt, sondern auch besonders in den grenzüberschreitenden, europabezogenen Netzwerken. In unserer Region gibt es viele maßgebliche Netzwerke, Programme, Institutionen und Arbeitgeber, die für Europa und die deutsch-französische Beziehung eine wichtige Rolle spielen. Außerdem findet man hier ein sehr internationales Umfeld vor, man kann seine interkulturellen Kenntnisse anwenden, mit Fremdsprachen arbeiten und neue Arbeitgeber entdecken. Dagegen scheint einem dann das Arbeiten und Leben in einer „Mono“-Hemisphäre mit nur einer Sprache oft langweilig.

4. Sie sind Experte des Arbeitsmarktes in der Grenzregion. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Unterschiede zwischen dem Arbeitsmarkt in Frankreich und Deutschland?

Beide Arbeitsmärkte sind stark miteinander verknüpft, wir sind jeweils die größten Handelspartner. Dennoch sind die Arbeitsmärkte sehr unterschiedlich und auch unterschiedlich schwierig zugänglich, allein wegen der Sprachbarriere und der unterschiedlichen Ausbildungs-/Uni-/Schul-Systeme.
Mir fällt oft auf, dass es die französischen Studierenden der deutsch-französischen Studiengänge viel einfacher haben, in Deutschland ein Praktikum zu finden als umgekehrt. Eventuell ist der französische Arbeitsmarkt etwas „versteckter“ als der deutsche. Mit drei relevanten Jobbörsen können Sie in Deutschland den gesamten Arbeitsmarkt scannen, da die Firmen ihre Stellenangebote sehr rege veröffentlichen, das Hauptrekrutierungs-Tool ist mittlerweile LinkedIn. Umgekehrt scheint es mir in Frankreich so zu sein, dass man eher mit Beziehungen arbeiten muss. Auch spielt in Deutschland weniger das Renommée einer Uni oder Schule eine Rolle, sondern eher die Kompetenzen, Noten und Schwerpunkte, das Talent des Bewerbers. Die Bewerbungs-Verfahren haben sich aber dank der Digitalisierung endlich angeglichen, siehe LinkedIn, Skype und e-Bewerbung via Internet. Ich höre häufig von Bewerbern, dass man in deutschen Vorstellungsgesprächen eher die Kompetenzen, guten Erfahrungen und Eigenschaften thematisiert und lobt, und positive Stimmung transportiert. In Frankreich hingegen ist man eher streng, reitet auf schlechten Noten, Misserfolgen oder Abbrüchen herum, will den Bewerber „ausquetschen“, um zu sehen, wie er unter Stress reagiert. Und dann hat man plötzlich doch die Jobzusage… Das verwirrt viele deutsche Bewerber.

5. Sie arbeiten täglich mit unseren französischen Nachbarn zusammen. Was halten Sie von der französischen Arbeitsweise?

Das ist ein Thema, über das man sicherlich Filme drehen und Doktorarbeiten schreiben könnte. Vieles ist auch regional unterschiedlich, Stichwort „Schtis“, oder Bayern, Ostfriesland etc. Es gibt da viele Klischees, die sich selten belegen lassen, oftmals kommt mir beispielweise die französische Besprechungskultur viel „deutscher“ vor, als man denkt, und oft finde ich die deutsche Mitarbeiterkultur viel „subversiver“ als die französische, was man ja eigentlich nicht so erwartet. Manchmal ertappt man sich dann aber auch in klassischen Fettnäpfchen-Situationen und kommt sich vor wie in der Netflix-Serie „Emily in Paris“. Und das ist ja genau das Interessante, der „interkulturelle Clash of Cultures“ ist eigentlich – für mich zumindest – immer das Salz in der Suppe, oder? Innerhalb der einzelnen Systeme funktionieren unterschiedliche Arbeitsweisen mehr oder weniger gut, nur kommt es dann in gemischten Teams manchmal zu Meinungsverschiedenheiten. Hinsichtlich Timing, Effizienz und Mentalitäten führen viele Wege zum Projektziel. Am besten kombiniert man das Positive aus den zwei Arbeitswelten. So wie beim ICE und TGV zwischen Paris und Frankfurt, bei Airbus, PSA, Opel und Stellantis. Und – ganz klar gilt: „In Rome do as Romans do“, damit fährt man eigentlich immer gut. Und noch ein weiterer wichtiger Faktor: wohlwollender Humor kennt keine Grenzen.

6. Gibt es Ihrer Meinung nach einen bestimmten Aspekt, in dem die Deutschen noch von den Franzosen lernen könnten?

Es gibt so vieles. 35-Stunden-Woche, zwei Monate Ferien im Sommer und zwischen den Jahren, die Arbeit nicht so wichtig nehmen, arbeiten um zu leben, Laissez-faire, Leben-wie-Gott-Frankreich, was noch?

7. Was sind Ihre deutsch-französischen Projekte für die Zukunft?

Wir haben 2022 vor, noch mehr Beratungs-Angebote für französische Jugendliche und Studierende anzubieten. Die EU hat das neue Jahr zum „Jahr der Jugend“ erklärt. Daher werden wir die Karrieretage an den Unis im Saarland und Lothringen, die deutsch-französischen Schulworkshops in Lothringen und die weiteren Beratungsformate für die Zielgruppe „U25“ intensivieren. Auch haben wir 2022 im Herbst wieder vor, eine große, interregionale Jobmesse zu machen, mit interessanten Arbeitgebern, die attraktive Stellenangebote für Ferienjobs, Praktika, Ausbildungsstellen und Duale Studiengänge anbieten werden. Außerdem wird es im Saarland einige interessante Neuansiedlungen geben, auch hierfür suchen wir grenzüberschreitend Personal. Ich empfehle unsere Webseite, da sind unsere interkulturellen Ratgeber, Ansprechpartner sowie Webinare- und Messetermine abrufbar, und Interessenten können dort gerne mit uns in Kontakt treten.

Beitrag teilen

This site is registered on wpml.org as a development site.